Saturday, July 23, 2005

Kommandeur Kloontsch

here it comes, my first story worth reading. enjoy and comment!

KOMMANDEUR KLOONTSCH

Kloontsch, auch bekannt als Kloontsch, Kommandeur der krawenzenden und knuteschlagenden Knilche – wie ihn seine Anhänger häufig zu nennen pflegten –, war fürchterlich mies drauf an diesem Tag. Wäre er doch einfach im gerade neu beschlagenen Nagelbett liegengeblieben, ja dann hätte er sich wenigstens nur mit den für diese Jahreszeit üblichen sinnlosen Anrufen diverser Sektierer und anderem kyrillischem Abschaum herumschlagen müssen.
Aber er hatte natürlich unbedingt auf die Gasse hinaus gemusst. „Mal sehen was der ewig-dunkle Regenmoloch an Abenteuern bereithält,“ waren seine ersten Gedanken gewesen, nachdem der alltägliche, rasende Kopfschmerz im Bereich der linken Gehirnhälfte langsam nachließ und er wieder einigermaßen klare Gedanken fassen konnte. Und so erhob er sich zermartert, schlüpfte in seinen grellgelben Overall und strebte der Außenwelt entgegen.
Der komische kleine Mann im Hausflur mit seinen neonfarbenen, augenkrebsverursachenden Klamotten schob ihm im Hinausgehen wie jeden Morgen eine Handvoll Pillen zu, welche Kloontsch frag- und emotionslos mit einem großen Schluck lecker hochprozentig-eisgekühlten Alkohols in seinen Magen spülte (sollte das etwa der seit langem verschollene Geschmack des Suds aus dem halluzinogen wirkenden Kraut Jaristafai sein?). Wie auch immer, die Visionen fingen schnell, vehement und eigentlich schon beim Durchschreiten der silbernen Hauspforte an.
Der Kommandeur ließ seinen getrübten Blick langsam über die Gasse schweifen, die er nun seit ziemlich genau 67 Stunden sein Hegemonialgebiet zu nennen pflegte. Wie aus dem Nichts erschien ein grässlicher Schwarm einäugiger Flugratten, die ihn im Vorbeifliegen aufs übelste beschimpften. Kloontsch erschlug exemplarisch drei besonders laut und aufrührerisch wirkende Männchen und schritt dann mit grimmigem Lächeln tiefer in die sich verbreiternde Straße hinein, seine Hand ließ er voll vorausschauender Vorsicht sehr nah am Abzug seiner äußerst antik wirkenden Pistole baumeln.
Einer psychedelischen Aura folgend, welche sich wie der Schweif eines Regenbogens hinunter in die kesselförmig unter ihm liegende Altstadt schlängelte, stapfte Kloontsch langsam aber zielstrebig in seinen immer schwerer werdenden Militärstiefeln in Richtung Zentrum.
Urplötzlich wurde er in seinen Bewegungen unterbrochen, denn von irgendwoher erschienen rund um ihn herum eine Handvoll zu groß geratene Kleinwüchsige welche wie irr um Kloontsch herumrannten, dabei die wildesten und würzigsten Flüche ausstießen und gleichzeitig in atemberaubenden Tempo mit ihren dürren Ärmchen herumfuchtelten. Dies machte Kloontsch ganz kirre im Kopfe und gleichzeitig spürte er ein undefinierbares Pieksen in seiner Lendengegend. Er sah an sich selbst munter herunter und entdeckte zu seinem allergrößten Vergnügen seinen treuen Adjutanten Schnappzapf, der, um Aufmerksamkeit von seinem Kommandanten zu erheischen, piekste und quiekste.
Kloontsch erhob das Wort in lauter Lautstärke, jeden unlauteren Wettbewerb von vornherein lärmend vermeidend.
„Sei still! Dich brauche ich jetzt nicht!“ fuhr er befehlend seinen Adjutanten an. Diese Gefühlsschwankungen seines Kommandeurs kannte der kleine Schnappzapf schon zu genüge. Ebenso fürchtete er die üblen Strafmaßnahmen, die er schon unzählige Male über sich hatte ergehen lassen müssen, wenn er seinem Herrn nicht aufs Wort gehorcht hatte. So verstummte er verstimmt und schwieg beleidigt. Was blieb ihm auch anderes übrig – er war ja seit seiner Geburt zum Mitläufertum gezwungen. Er war nur ein Teil des großen Kommandeurs Kloontsch – wenn natürlich auch sein Bester.
Nachdem hiermit die Zuständigkeiten geklärt waren, befasste sich der Kommandeur wieder mit den vor ihm schwirrenden und sausenden Kleinwüchsigen, die allmählich seine Sinne zu benebeln begannen. Schwindel durchfuhr seinen Kopf und trotz der festen Militärstiefel fingen nun auch seine Beine an zu rebellieren. Sie wollten einfach nicht länger seinen Befehlen gehorchen und widersetzten sich seinem Kommando. Immer weiter weg sausten seine Füße und Kloontsch blieb nichts anderes übrig als irgendwie zu versuchen das Gleichgewicht zu halten. Wie zwei gigantische Gumminudeln hingen seine Extremitäten am Torso und er schaukelte in der Kommandozentrale weit oben, wie Löwenzahn im Wind, von Ost nach West und von Hinten nach Vorne. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, dass seine Beine nicht das einzige waren was sich in letzter Zeit verändert hatte. Die dürren Ärmchen der Eindringlinge, die sich hier so plötzlich und vehement in seine Welt gedrängt hatten, begannen nun anzuwachsen.
Immer länger und dicker schienen sich die Arme aufzublasen und bedrängten schon bald den Kommandeur aufs gefährlichste. „67 Stunden!“ zuckte es durch seinen Kopf. Schweiß lief seine Stirn herunter, perlte an seiner Nase ab und fiel dann mehrere Meter in freiem Fall an seinen Beinen entlang hinunter auf die harten Pflastersteine der Gasse. 67 Stunden war dies sein Hegemonialgebiet gewesen. 67 Stunden war er der unbestrittene Herrscher dieser Gasse gewesen und noch viel mehr, denn sein Reich erstreckte sich bis weit in den Altstadtkessel hinein. Und nun sollte alles wegen dieser Handvoll Wichte vorbei sein – sein Traum endgültig ausgeträumt? „Neiiiiin!“ schrie Kloontsch mit vor Zorn zitternder Stimme.
Und dann wußte er wissentlich wider sein bestes Gewissen was zu tun war. Es gab nur einen – sehr widerwärtigen – Weg seine Widersacher loszuwerden und diesen hatte er erst am vorigen Tag in seiner wöchentlichen Gramistel-Lehrstunde zum ersten Mal erprobt. Er hatte keinerlei Ahnung ob es klappen würde, doch er mußte es einfach versuchen. Und so holte er tief Luft. Und tiefer. Am tiefsten. Er holte so tief Luft, wie wohl noch niemand je zuvor in diesem Universum. Seine Lunge schien zu bersten, es fühlte sich an als wären 3 m³ Luft in dieser komprimiert worden, doch genau so musste es sein, um das nun beginnende, äußerst spektakuläre Spektakel zu entfachen.
Der Kommandeur begann nun die Luft langsam aber stetig ausströmen zu lassen wobei seine Stimmbänder nach und nach anfingen zu vibrieren. So entstand ein immer lauter werdender, sehr merkwürdiger Ton, sehr hoch und doch ungewöhnlich rein im Klang, ein Ton den man in dieser wild-wütenden Gegend des kapistelschen Planetensystems noch nie gehört hatte. Er klang wie tausend wilde rote Afgohmblüten deren Duft so intensiv ist, dass jede Wesen das diesem Phänomen ausgesetzt wird nicht umhin kann sich einer wohlverdienten Ruhepause hinzugeben. Auch auf die aggressiven, atonal aufstoßenden Angreifer Kloontschs begann der Ton Wirkung zu zeigen: sie ließen nach und nach vom Kommandeur ab, ihre Bewegungen wurden langsamer und sie schrumpften schrecklich schnell.
Kloontsch verstummte kurz darauf und das letzte Echo dieses faszinierenden klanglichen Meisterwerks verhallte tief im Altstadtkessel. Die ganze Stadt befand sich in einem gemütlichen Rauschzustand, alles war weich und nahm sich Zeit von welcher es nach dem Kampf unseres kommandierenden Krawallkopfes plötzlich wieder viel mehr zu geben schien. Kloontsch begann seinen Weg nun ungestört fortzusetzen, leicht benommen von der soeben vollbrachten Anstrengung. Nach einigen Minuten begann die vormals gepflasterte Straße in einen schlammigen Pfad überzugehen. Hier begann er also, der gefährliche aber notwendige Abstieg in die sagenumwobene, unnahbare, furchterregende und kesselförmige Altstadt von Brimboxlum am äußersten Ende von Kapistel III, der letzten anarchosyndikalistischen Enklave diesseits der sunogischen Sonnen.

© Florian Hüttl & Henning Rader, 2005

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